Genesis

Posted by eddy14 - 01/01/10 at 06:01 pm

Wir befinden uns im Jahre 1999

Ich befinde mich gerade in meiner Grundschulklasse. Mein Klassenlehrer liest ein Buch vor, während wir unser Pausenbrot verdrücken. Da ist diese eine Sabrina neben mir. Sie ist hübsch, nett und sehr klug. Manchmal stelle ich mir vor, sie würde sich zu mir drehen, und mir ihre Liebe gestehen. Wir würden heiraten und Kinder kriegen. Jedesmal wenn sie ausversehen ihr Bein an mir reibt, füttert mich mein Hirn mit Dopamin. Glück ist nur unter Drogen möglich.

In der großen Pause bin ich schweigsam und schieße lieber Fußbälle an die Wand, als mit den anderen zu spielen.

Zurück in der Klasse erzählt der Klassenlehrer etwas über so genanne “Computer”. Er hat zwei dieser Dinger in die Klasse geschleppt und aufgebaut. Sie stehen in der hinteren Ecke. Er erzählt uns, dass derjenige der zuerst mit allen Aufgaben fertig ist, an die Computer gehen darf. Ich weiß nicht mehr, ob mich so ein Computer überhaupt neugierig gemacht hat. Ich war mehr der kleine Super Nintendo und Playstation Spieler.

Nach einer kurzen Weile habe ich alle Aufgaben fertig. Also setzt mich der Lehrer an einen Computer. Er drückt einen Knopf, unten an so einem eckigen Teil. Und der Monitor, welchen ich damals für den ganzen Computer hielt, zeigt das Bootlogo von Windows 95. Nach dem Bootvorgang darf ich einige Sätze und Vokabeln von einem Blatt auf den Computer übertragen. Dafür wurde ein einfaches Textverarbeitungsprogramm benutzt.

Und es machte mir riesen Spaß! Ich tippte wie wild auf der Tastatur, und liebte es, wie ganze Sätze am Computerbildschirm erschienen. Ich wurde immer schneller beim Tippen. Nach einer Weile brachte ich eine Aufgabe, die eigentlich 15 Minuten dauern sollte, in 5 Minuten fertig.

Ich war so stolz auf mich. Zuhause fing ich an, meine Mutter anzubetteln. Ich wollte auch unbedingt einen Computer. Wir waren nicht gerade eine reiche Familie, und Computer waren ziemlich teuer. Ich erinnere mich noch an Sachen wie “Wenn du mir einen Computer kaufst, werde ich für immer glücklich sein!” die ich ihr eintrichterte. Das sagte ich ihr jedesmal. Als ich einen Gameboy wollte, ein Super Nintendo, eine Playstation und vieles andere. Natürlich machte mich keines davon tatsächlich für immer glücklich.

Ich nervte vermutlich stark genug, bis meine Eltern sich entschlossen, mir einen Computer zu kaufen. 2500DM, ein Computer der Marke Schneider. Mit Drucker, Scanner, Monitor und allem drum und dran. Ich schaute wie gebannt auf den Monitor, während mein Onkel Windows 98 installierte. Ich weiß noch wie mein Vater zu mir flüsterte “Schau mal, er ist ein Computer Experte, er verdient sein Geld damit!”. Und ich weiß nicht was er im MS-DOS Modus gemacht hat, aber er tippte komische Sachen auf eine schwarze Oberfläche. Ich fand das so faszinierend. Ich wollte genauso wie er, alles über den Computer wissen. Das Teil sah so mächtig aus. Wie ein Monster Truck den man gebannt ansieht, und sich fragt, wie man ein solches Gerüst unter Kontrolle halten will.

Nach der Installation des Systems waren wir bereit für den ersten Start. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie mein Vater mir das erste und einzige mal, etwas über den Computer beibrachte. Er zeigte mir, wohin man drücken muss, damit der Computer sich anschaltet. Mehr wurde mir über den Computer nicht beigebracht. Eines Tages saß ich also alleine vor diesem Monster. Es war das erste mal, dass ich ihn benutzen wollte. Ich hatte die ganze Zeit sehr viel Angst, etwas kaputt zu machen. Ich setzte mich also an den Rechner, suchte den Knopf und betätigte ihn. Der Sound des bootens, dieses gepiepse, erinnert mich heute an das Starten eines Autos. Eine ganze Welt die es zu bereisen gilt, öffnet sich dir.

Ich experimentierte also sehr viel mit diesem Computer herum, und lernte immer mehr Sachen kennen. So langsam wusste ich, wie man Programme startet und bedient. Und ich hatte alles selbst durch learning-by-doing erlernt. Ich war so stolz auf mich. Ich installierte Spiele aus dem Computer-Bild-Spiele Magazin und zockte Tagelang. So langsam hatte ich diese Maschine unter Kontrolle. Meine Macht darüber weitete sich jeden Tag immer mehr aus.

Nach einiger Zeit entdeckte ich das Internet. Ein Modem, Kabel und ich war im Internet. Es war teuer, langsam und ich durfte nicht lange im Netz bleiben. Aber ich liebte es im Internet irgendetwas zu lesen. Ich glaube manchmal, ich könnte jede Information finden, nur indem ich danach suche. Später sah ich bei meinem Onkel wie er per Kazaa Musik aus dem Internet lud. Also tat ich das selbe und fand das total cool. Jetzt wusste ich, woher die ganzen gebrannten Lieder und Spiele herkamen.

Ich verbrachte immer mehr Zeit mit dem Computer. Ich hörte nach einer Weile auf, zum Fußballtraining zu gehen. Und nach 6 Jahren Spielzeit (mit 12 Jahren) war ich komplett von sportlichen Aktivitäten unabhängig. Die Sucht fing an.

Jahr 2005

Heute vor genau fünf Jahren entdeckte ich eine Webseite die verschiedene, vermeintlich illegale, Programme anbot, mit denen man angeblich Personen ausspionieren könne. Keines der Programme lieferte mir die gewollten Resultate. Ihr kennt das; man möchte beispielsweise die Adresse einer Person eingeben, auf einen Button drücken, und ihn “hacken”. Dabei wusste man nichteinmal, was “hacken” bedeutet, und was beim “hacken” eigentlich passiert.

Ich gab nicht auf, und konzentrierte mich weiter darauf, irgendwann sowas cooles mit dem Computer zu können. Ich konnte damals ja bereits Windows 98 in und auswendig. Kannte jeden Trick, jede Einstellungsmöglichkeit. Aber ich hörte nicht auf, daran zu glauben, dass man mit einem Internetzugang mehr anrichten konnte, als nur Webseiten zu besuchen. Man hörte doch im Fernsehen immer von diesen gefährlichen Hackern.

Wenig später stieß ich auf ein paar angebliche Underground Seiten. Das hörte sich schon ziemlich kriminell und total cool an. Um mich auf dem Forum dort anzumelden, benötigte ich einen Nicknamen. Ich hatte bis dahin bereits immer “Eddy Sino” als Fakenamen benutzt. Aber ein Nickname war das nicht gerade. Also nahm ich einfach “eddy” und fügte hinten mein Alter hinzu. So entstand “eddy14″.

Die Inhalte dieser Webseiten, die unzähligen Tutorials die ich in mich kippte und das Wissen der Personen mit denen ich schrieb, formten mich zu dem, der ich heute bin.

Ich lernte das Programmieren in Delphi und schrieb alle meine Programme darin. Ich lernte viel mehr über den Computer, als ich erwartet hatte. Und jedesmal öffnete sich mir eine weitere Tür, voller Wissen die ich aufsaugen musste. Es wurde mir klar, dass ich doch nicht so viel über den Computer wusste, wie ich annahm.

Jahr 2006

Es war wieder genau am 01.01ten des nächsten Jahres. Also heute vor vier Jahren. Ich experimentierte gerade mit Exploits herum und versuchte zu verstehen wie sie funktionieren. Und plötzlich hatte ich meinen ersten Erfolg. Es war ein Woltlab Burning Board 2.3.1 Exploit den ich benutzte. Es gelang mir, und ich konnte den Hash bei milw0rm cracken lassen. Ich war im Admin-Panel der Webseite, und ich spürte das Adrenalin. Holy Crap, dafür hat sich die ganze Mühe gelohnt. Es war fantastisch. Die Leute kamen gerade herein, um Sylvester und gleichzeitig meinen Geburtstag zu feiern. Das war das tollste Geschenk überhaupt.

Es bannte mich nur noch stärker an den Computer.

In den folgenden Jahren verbesserte ich meine Kenntnisse. Ich saß Tag und Nacht an dem Rechner. Ich konnte Nachts nicht schlafen. Manchmal debuggte ich sogar im Traum. Ich fühlte mich großartig. Man erzählt einem zwar immer, die Schulnoten würden schlechter werden, je länger man vor dem Computer sitzt. Aber bei mir war das genau gegenteilig. Meine Deutschkenntnisse verbesserten sich rasant. Ich war beeindruckt; ich sprang von einer 5 auf eine 2. Ich wurde in Mathematik immer besser. Ich entwickelte so langsam eine Liebe für die Logik. Bald musste man sich ein Wahlpflichtfach aussuchen. Ich entschied mich für Informatik. Obwohl der Lehrer mich nicht sehr mochte, und ironischerweise mich immer doppelt fragte, ob ich etwas verstanden hätte, kam ich mir trotz allem total cool vor. Denn dort saßen Schüler, die genauso die Chance hatten gut zu werden und genau in meinem Alter waren. Und dennoch war ich besser als sie. Auch wenn das arrogant klingt; sowas macht einen glücklich. Wenn man merkt, dass man immerhin in einer Sache mehr zu bieten hat als andere.

Genauso erging es mir auf dem späteren Berufskolleg. Ich nahm an, dass mich dort Menschen erwarten, die mindestens genauso viel Ahnung von Computern haben wie ich. Denn, wer bin ich schon? Im Grunde, weiß ich sehr wenig über Computer. Aber natürlich hatten die meisten keine Ahnung davon. Hatten nur mal gehört, dass Informatiker viel Geld verdienen.

Da war ich also nun. Ein kleiner Nerd der die Lehrer belehrt.

Jahr 2010

Und gerade liege ich hier auf meinem Bett, während die anderen etwas futtern. Schreibe auf meinem Blog, mit meinem Laptop auf dem Schoß.

Was wäre wohl passiert, wenn ich nie einen Computer bekommen hätte? Was für ein Mensch wäre ich geworden? Diese immer wiederkehrenden Fragen quälen mich.

Mittlerweile ändert sich aber meine Interessenrichtung. Ich wollte schon immer Geheimnisse lüften. Ich wollte alles logisch erklären können. Und Computer ermöglichen genau das. Aber ich glaube, momentan tendiere ich mehr in Richtung Naturwissenschaften. Physik, um genau zu sein. Es ist eine Möglichkeit für mich, die Welt logisch zu beschreiben. Das fühlt sich toll an. Mein Kopf dazu zu benutzen, mehr zu tun als mir der Computer erlaubt.

Aber wer weiß? Was mache ich wohl in 10 Jahren? Vielleicht verweile ich immernoch hier, und blogge.

Ich würde sehr gerne lesen, wie ZiuX, Five-Three-Nine, Nemo und die anderen angefangen haben!

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8 Responses to “Genesis”

  1. Wint0r says:
    January 3rd, 2010 at 15:22

    Was wäre gewesen,wenn du keinen Computer bekommen hättest?!
    Diese Frage habe auch ich mir oft genug gestellt,denn meine Beziehung zu ihnen war nicht immer so “unproblematisch” (in Bezug auf Schulnoten) wie deine.(Wenn man sich aus der Realität in Videospiele flüchtet,so ist das mit 14 unter Umständen nicht ganz ungefährlich …) Es hätte mich verändert.Ich wäre nicht derjenige geworden,der trotz seines Recht geringen Wissensstandes nicht aufgibt,und Probleme (am Computer aber auch im Leben) dann eben anders anpackt.Ich wäre nicht der Mensch geworden,der sich sein Interesse nicht nehmen lässt,selbst wenn eine Lösung kaum greifbar erscheint.

    Ich glaube,es war ein wichtiger,durchaus positiver Schritt in meinem Leben,einen Computer zu bekommen.(Auch wenn es Probleme damit gab,von Zeit zu Zeit!) Vielleicht konnte ich deine Gedanken ein bisschen positiver anstreichen! ;)

    Wint0r

  2. TheFox says:
    January 3rd, 2010 at 21:06

    Geile Story! Ich koennte diese fast 1:1 nehmen und als meine Lebensgeschichte verkaufen ;)

    TheFox

  3. BuntspechT says:
    January 4th, 2010 at 03:07

    Ein klasse Text, wieder mal sehr nachdenklich und tiefgründig geschrieben.
    Allerdings endet alles wieder mit der leidlichen “Was-wäre-wenn”-Frage, deren Gleichung nie zu einer eindeutigen Lösung umzurechnen ist.

    Zur Physik muss ich dir gratulieren, ich sehe es genauso wie du, auch wenn uns die Antworten, die wir dort erhalten, nicht die ganze Welt erklären und – was noch viel schlimmer ist – noch weitere, viel schwerer beantwortbare Fragen aufwerfen, die danach nicht mehr aus deinem Kopf gehen wollen (Stichwort Quantenphysik).

    Wie auch immer, ich zähle mich mal zu den anderen und mache mir auf meinem Blog in Kürze auch mal ein paar Gedanken darüber.
    Bis dahin hoffe ich, dass du weiter regelmäßig auf dem Bett liegst und was tolles bloggst ;)

  4. retn says:
    January 4th, 2010 at 21:12

    Ach Eddy =)
    havo vin kara

  5. blacky says:
    January 5th, 2010 at 00:30

    Lass uns mal in ICQ darüber reden :)

  6. Joker7 says:
    January 7th, 2010 at 17:45

    Schöner Text, ich lese gerne Sachen von dir. Mach weiter so !
    Immer schön weiter Bloggen. Thx

  7. Matze says:
    January 12th, 2010 at 13:50

    Ich habe diesen Blog mal sehr gerne gelesen.
    Vor allem darum weil es um (IT)-Technik ging.

    Inzwischen schmiert dieser Blog aber irgendwie in eine Richtung ab die ich absolut schrecklich finde.
    Nur noch Psycho geschwafel und schlimmeres…
    Ich hoffe sehr das sich das bald wieder ändert.

  8. enco says:
    January 12th, 2010 at 20:03

    Hallo eddy,
    einen sehr schönen Text hast du da geschrieben und ich kann mich wirklich zu einhundert Prozent damit identifizieren.

    In der Grundschule hatten wir auch einen Computer, was dazu geführt hat, dass ich auch einen bekommen habe. Da war ich sieben.
    Auf dem Gymnasium wählte ich auch Informatik und konnte alles weit vor den anderen.
    Ebenso heute, ich bringe meinen Lehrern (Berufskolleg) das bei, was sie eigentlich mir vermitteln wollen.

    Ich könnte noch soviel mehr schreiben, aber im Endeffekt wäre es der gleiche Text wie deiner, bloß mit meinem Namen.

    Ich habe mir auch oft die Frage gestellt: Was wäre wohl passiert, wenn ich nie einen Computer bekommen hätte?
    Mittlerweile ist es mir egal. Das bin ich eben nicht geworden, ich bin ich und werde ich bleiben. Darüber nachzudenken, was gewesen sein könnte, habe ich längst eingestellt.

    Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben und finde es toll ein Nerd zu sein und es stört mich auch gar nicht mehr wenn mich jemand auf einer Party mit “Hey ich hab gehört du kennst dich …” anquatscht.

    Ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinem Leben und hoffe du bleibst deinem Computer immer treu!

    1337e Grüße

    enco

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